Diese Methode bietet bei vielen chirurgischen Eingriffen einen immense Vorteil gegenüber konservativen chirurgischen Instrumenten wie Bohrern und Sägen, da sie in der Lage ist, Gewebe selektiv zu behandeln. Knochengewebe kann nahezu ohne Druck durchtrennt und das angrenzende Weichgewebe dabei maximal geschont werden, selbst dann wenn das Weichgewebe mit den Instrumenten in Kontakt kommt. So werden angrenzende Blutgefäße maximal geschont. Geringere Gefäßverletzungen bedeuten eine geringere post-operative Schwellung, eine schnellere Wundheilung und ein minimiertes Wundinfektrisiko.
Auch kann durch diese Technik das Verletzungrisiko von Nerven bei deren Verlagerung oder Dekompression deutlich reduziert werden. In der Implantologie bietet die Piezochirurgie bei der Kieferhöhlenbodenosteoplastik (sog. „Sinuslift“) eine atraumatische Alternative zur konventionellen bohrenden Technik, da sie die Verletzungswahrscheinlichkeit der Kieferhöhlenschleimhaut deutlich vermindert.
Knochendefizite durch Parodontitis oder involutive Prozesse stehen bei steigender Lebenserwartung dem Wunsch eines festen Zahnersatzes immer häufiger im Wege. Piezochirurgisch lassen sich schonend Knochentransplantate gewinnen, die dann den verlorenen Knochen dauerhaft ersetzen können.
Ein weitere, tägliche Anwendung findet die Piezochirurgie in unserer Praxis bei der Behandlung entzündeter Wurzelspitzen. In den Fällen, wo die Entzündung bereits in den Kieferknochen vorgedrungen ist oder eine konventionelle (sog. „anterograde“) Wurzelkanalfüllung durch den Zahnarzt aufgrund der Zahnbeschaffenheit nicht möglich ist, muss die Wurzelspitze durch den Chirurgen operativ entfernt werden. Es ist für die Prognose des Zahnes entscheidend, sowohl die Wurzelkürzung als auch die Knochenresektion so schonend wie irgend möglich zu gestalten. Im idealen Fall resultiert hierdurch ein Wundgebiet von gerade einmal 3 Millimeter Durchmesser! Wird bei der Inspektion der Wurzelspitze offensichtlich, dass der Wurzelkanal nicht suffizient verschlossen ist und hierdurch eine erneute Entzündung an der Wurzelspitzen droht, sollte der Kanal von der operierten Seite aus aufbereitet und verschlossen werden (sog. „retrograde Wurzelkanalbehandlung„). Um dieses bei einem kleinen operativen Zugang durchführen zu können, bedarf es spezieller, abgewinkelter Instrumente. Diese können nicht rotierend, sondern nur mittels Ultraschallschwingungen betrieben werden. Hier findet wieder die Piezochirurgie Anwendung.